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April 2021
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EINE ZUSAMMENSCHAU

KASPAR HAUSER, DAS KIND EUROPAS

Am 26. Mai des Jahres 1828, einem Pfingstmontag, erscheint wie aus dem Nichts ein etwa 16 jähriger junger Mann auf dem Unschlittplatz in Nürnberg. In diesem Moment beginnt eine Geschichte, die bis heute nicht abreißt. Im Gegenteil, möchte man fast sagen. Sie wächst und wird zu einem der wenigen wahren Mythen der Neuzeit!  Zwei Bürger der Stadt begegnen ihm und bieten ihre Hilfe an. Doch auf alle Fragen antwortet der Findling, wie er dann später genannt wird, mit einem befremdenden Satz, dessen Inhalt er nicht so recht zu verstehen scheint. Immer wieder sagt er, er möchte ein solcher Reiter werden, wie sein Vater einer gewesen sei. 

Und er trägt einen Brief in der Hand. Dieser ist tatsächlich an einen Rittmeister adressiert, so dass ein gewisser Sinn gegeben zu sein scheint. Die Bürger geleiten ihn zu dem Haus des Adressaten, doch dieser sagt, er kenne den Jüngling nicht. Und so wird der Findling ins Gefängnis der Stadt Nürnberg gebracht, in den Turm „Luginsland“. Polizisten verhören ihn, doch werden sie nicht fündig. Nur später dann, als einer der Beamten dem Jungen Bleistift und Papier in die Hand drückt, schreibt dieser, wieder aller Erwarten, einen Namen, der da heißt: Kaspar Hauser

Dies ist die Geburtsstunde eines der vielleicht geheimnisvollsten Namen, den je ein Mensch trug. Er erinnert an das Puppenspiel, er erinnert aber auch an einen der Heiligen Drei Könige. Im Persischen heißt Kaspar der „Schatzhüter“. 

Und auch Hauser klingt befremdend. Ist er ein Häusler, einer, der nie aus dem Hause kam? Gehört er einem „Hause“ an, im Sinne eines Adelsgeschlechts? 

In einer Region Bayerns ist dieser Name wiederum ein Kürzel für Baltasar. Und schon hätten wir einen weiteren der drei Heiligen Könige. 

Bis heute, so darf man sagen, sucht die Kaspar-Hauser-Forschung nach seinem wahrem Namen, als sei dieser nur ein Platzhalter, eine Unbekannte, die es, wie in der Mathematik, zu finden gilt, um die Gleichung lösen zu können! 

Doch um welche Gleichung handelt es sich? 

So wird nun der Brief studiert, in der Hoffnung, dass er Klärung bringen möge. Der Inhalt gibt, zusammengefasst, folgendes vor: Ein Tagelöhner schreibt, er habe den jungen Menschen als Neugeborenes gewissermaßen auf die Türschwelle gelegt bekommen, mit der Bitte, es zu erziehen, da die Mutter dazu nicht im Stande sei. Und dann solle er ihn mit 16 Jahren in ein Reiterregiment nach Nürnberg bringen. Dies alles wird unterstützt durch den sogenannten Mägdelein-Zettel, einem kurzen Brief der mutmaßlichen Mutter. Darauf ist zu lesen, dass sie das Kind abzugeben habe, da sie es nicht ernähren könne. Der Name sei Kaspar. Der Vater sei bereits gestorben. 

All dies macht in diesem Moment einen gewissen Sinn, doch werden Schritt für Schritt Polizisten, Kriminalisten und auch Graphologen erkennen, dass hier eine bereits komplexe Lüge vorliegt. Denn es wird erkannt, dass die vorgegebenen zwei Handschriften von ein- und dergleichen Person geschrieben worden sind. Die Tinte weißt daher auch kein Altersunterschied von 16 Jahren auf. Ja, das mutmaßlich ältere Schriftstück weißt in seinem Papier ein Wasserzeichen einer Papiermühle auf, die es 1812 noch gar nicht gegeben hat. Und das Reiterregiment, in das der Tagelöhner den 16 Jährigen in Nürnberg führen soll, war 1812 noch gar nicht dort stationiert. So hätte die „Mutter“ also davon nicht schreiben können. 

Aber es liegt weit mehr als nur eine Lüge vor. Denn am Ende des Briefes schreibt der Tagelöhner, wenn der Rittmeister den Knaben nicht behalten könne, müsse er ihn eben „abschlagen oder im Rauchfang aufhängen“. Spätestens hier also ist bereits zu sehen, dass eine seltsam anmutende, kriminelle Energie gegeben ist. 

Das Erscheinen des „halb wilden Menschen“ in Nürnberg verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Binnen weniger Tage ist nicht nur in Bayern, sondern gar in den ganzen deutschen Landen und Europa davon zu lesen. Selbst in den New Yorker Zeitungen wird es einen Artikel geben über den „Lost Boy from Nürnberg“. 

Schnell kursiert der Begriff des Wolfsjungen, ein damals aktuelles Sujet, ist doch gerade im Jahre 1828 der mit berühmteste „Wolfsjunge“ der jüngeren Geschichte, Victor von Aveyron, gestorben. Und bis heute gilt Kaspar Hauser gewissermaßen als Namenspatron aller „Wolfskinder“, jener Kinder, die aus welchen Gründen auch immer im Geheimen weggesperrt werden. 

Der Nürnberger Bürgermeister Binder gibt eine umfassende Bekanntmachung heraus und nennt Kaspar Hauser „ein Pfand der Liebe“ für die Stadt Nürnberg. Andere gewichtige Herren der Stadt nennen ihn einen „paradiesischen Urmenschen“. Und der große Jurist Anselm Ritter von Feuerbach, Präsident des Appellationsgerichtes zu Ansbach, sieht in ihm gar „das einzige Geschöpf seiner Gattung“ sowie ein „Abbild des Ewigen in der Seele eines Engels.“ Das sind gewichtige Worte gewichtiger Männer, die Kaspar Hauser unmittelbar erleben! 

Ein nächster, wichtiger Schritt, der nun geschieht, ist die Diagnose des Nürnberger Stadtgerichtsarztes Dr. Preu. Er untersucht den Findling und kommt zu dem Ergebnis: „Dieser Mensch ist weder verrückt noch blödsinnig, aber offenbar auf die heilloseste Weise von aller menschlichen und gesellschaftlichen Bildung gewaltsam entfernt worden.“ Somit verdichtet sich die Vermutung, dass tatsächlich ein Verbrechen vorliegt und somit das Erscheinen des jungen Menschen in der Welt als eine Aussetzung, nicht als eine Freilassung, zu sehen ist. Also als eine Straftat! 

Nun wissen wir aber, dass jedes Verbrechen eines oder gar mehrerer Motive bedarf! Welches Motiv kann es aber geben, ein Kind in dieser Weise zurückzuhalten, um es dann in die Welt auszusetzen? Diese Frage führt von nun an zum unermüdlichen Forschen Feuerbachs. Er hatte zuvor mittels seines bayerischen Strafgesetzbuches aus dem Jahre 1813 die Folter als legitime Verhörmethode abgesetzt und postulierte den wichtigen Satz „nulla poena sine lege“, „keine Strafe ohne Gesetz“, ein bis heute maßgeblicher Grundpfeiler jeglichen Rechtsstaates. 

Als das weitere Verweilen Kaspar Hausers im Gefängnis zu Nürnberg nicht mehr zu legitimieren ist, wird er in die Obhut eines Lehrers gegeben. Sein Name ist Georg Friedrich Daumer. Zu diesem Zeitpunkt ist er 28 Jahre jung, aber durch ein Augenleiden bereits von seinem Dienst als Gymnasiallehrer suspendiert. Er selbst ist Schüler Georg Wilhelm Friedrich Hegels gewesen. Daumer ist darüber hinaus das, was man einen Dichter-Philosophen nennen kann. Friedrich Nietzsche wird ihn verehren und Johannes Brahms einige seiner Gedichte vertonen. 

Was nun geschieht ist, dass Kaspar Hauser rasant lernt: Das Sprechen, das Lesen, das Schreiben, das Rechnen, das Schach- und Klavierspiel, das Zeichnen und Aquarellieren. Diese Tatsache führt zu schwierigen Fragen: Kann ein Mensch, dem tatsächlich über lange Zeiträume jegliche Sozialisation geraubt worden ist, in solcher Geschwindigkeit all dieses lernen? Wenn ja, hat man es folglich mit einem Hochbegabten zu tun? Oder kann, respektive darf so etwas nicht möglich sein, folglich also, müsste ein Betrug vorliegen? Diese Polarisierung ist ein gewichtiger Bestandteil der damals beginnenden Kaspar-Hauser-Rezeption. Doch wo rinne sollte der Betrug liegen? 

Kaspar Hauser beginnt sich zu erinnern an die Zeit, bevor er in die Welt gestoßen wurde. Hierbei beschreibt er seinen Kerker in seiner Größe und Beschaffenheit. Dies ist alles! Er gibt also nicht vor, dieser oder jener zu sein, noch erstrebt er einen unlauteren Gewinn durch seine Situation zu erzielen! Lehrer Daumer erweist sich als genauer Beobachter und akribischer Zeuge der anfänglichen Zeit des Kaspar Hauser in der Welt. Drei Werke wird er schreiben, die bis heute alle einzusehen sind und eine wichtige Grundlage jeglicher Forschung bilden. 

Neben der außerordentlichen Ausstrahlung des Findlings studiert Daumer weitere außergewöhnliche Phänomene, wie zum Beispiel Kaspar Hausers Sinneswahrnehmung. Diese ist in allen Sinnen in einem Masse gesteigert, dass er nun bald ganz als ein Wunderknabe gesehen wird. Er kann bei Dunkelheit lesen, ja in Dunkelheit Farben unterscheiden, er kann auf hunderte Schritte eine Himbeere von einer Brombeere unterscheiden, wo das gewöhnliche Auge gerade einmal den Strauch zu sehen vermag. Er ist aber auch so empfindsam in seiner Geruchswahrnehmung, dass er kaum über einen Friedhof laufen kann, so sehr riecht er die Ausdünstungen der Leichname! Darüber hinaus „fühlt“ er Metalle und kann, ohne sie einzusehen, Gold, Messing, Kupfer, Silber und Blei anhand ihrer „Ausstrahlung“ unterscheiden. Auch „erfühlt“ er einmal sogar einen in ein Papier gewickelten Diamanten auf einige Schritte Entfernung. Auch steht Daumer der damals anfänglichen Homöopathie nahe, er selbst ist Patient von Dr. Preu, dem ersten Homöopaten Nürnbergs, und Kaspar Hauser reagiert in äußerst starker Weise auf die Behandlungen. Oft alleine schon durch das Anhauchen mit einer Arznei oder dem Berühren des Arzneimittelfläschchens! Darüber informiert Daumer Samuel Hahnemann, den Begründer der Homöopathie, der dies als eine Bestätigung sieht der starken Wirksamkeit seiner durch ihn entwickelten Arzneien.

OKTOBER 1829

Im Oktober 1829 ist dann Kaspar Hausers Entwicklung bereits in einem Masse fortgeschritten, dass er beginnt, seine „Autobiografie“ zu schreiben, sprich, seine Erinnerungen an die Kerkerzeit und an seine Aussetzung in Sprache zu fassen. Spätestens in diesem Moment müssen sich die Täter aber in Gefahr sehen. Und so erfolgt am 17. Oktober der erste Mordanschlag auf Kaspar Hauser im Hause seines Lehrers Daumer. Dieser Moment bricht in aller Wucht über das biedermeierliche Nürnberg ein, denn bis zu diesem Zeitpunkt ist das Verbrechen um den Findling ja nur erahnt worden, jetzt nimmt es greifbare Züge an! 

Ein Mann schlägt mit einer Art Beil horizontal auf Kaspar ein und trifft ihn an der Stirn. Kaspar Hauser überlebt und trägt von da an eine Wunde, die auf den bekannten Gemälden von Karl Kreul zu sehen ist. Der Täter ruft: „Du musst doch noch sterben, ehe Du aus Nürnberg wegkommst.“ Hauser meint, in dem Täter seinen Gefängniswärter zu erkennen, bei dem er „immer gewesen sei“. Doch niemand wird gegriffen. Von diesem Moment an ist das Leben im Hause Daumers nicht mehr sicher. 

Ja, selbst der Lehrer erhält Morddrohungen. Kaspar Hauser kommt dadurch in das Haus der Familie Biberbach, das sich aber auch als nicht günstige Stätte erweist. Und so siedelt er bereits im Juli 1830 über zu Baron von Tucher, seinem eigentlichen Vormund.   

Neben den Erinnerungen Kaspars an seinen Kerker, die er nun in Sprache zu fassen weiß, sind es auch seine Träume, die die Gegner beunruhigen. Denn er träumt von Wappen und von Schlössern in einer Konkretheit, dass die Gefahr sich ergibt, dass wichtige Quellen des Verbrechens ausfindig gemacht werden könnten. 

Die Gegnerschaft wird nun immer stärker. So erscheint in Berlin ein Werk des Polizeirates Johann Friedrich Merker, betitelt: „Kaspar Hauser, nicht unwahrscheinlich ein Betrüger.“ Doch dieser Polizeirat hat Kaspar Hauser nie gesehen, ist ihm nie gegenüber gestanden. 

Andererseits erlangt Kaspar Hauser in dieser Zeit solch eine Aufmerksamkeit und Anteilnahme, dass er genannt wird „Das Kind Europas“. Dieser Name wird nicht mehr von ihm weichen! 

MAI 1831

Im Mai 1831 erfolgt dann ein ganz anders gearteter „Anschlag“ auf Hausers Leben, der aber lange nicht als solcher erkannt wird. Ein Lord aus England, gut der deutschen Sprache mächtig, spricht bei Bürgermeister Binder vor und fordert, das Kind Europas kennenlernen zu wollen. Die Stadt ist durchaus erfreut, womöglich einen finanzstarken Gönner für Hauser in ihm zu finden. Es kommt sogleich zur Begegnung Stanhopes mit Kaspar. Dieser weiß das Kind ganz für sich einzunehmen, beschenkt Hauser mit Seide, mit Geld und Uhr und vielen Versprechungen. Er lässt ihn porträtieren und sät in Kaspar die Erwartung, von hoher Geburt zu sein. In den Sprachversuchen, die man unternimmt, um Hausers Herkunft finden zu können, zeigt sich in ihm eine gewisse Vertrautheit mit dem Ungarischen. Folglich gibt Stanhope eine Ungarnreise in Auftrag zur Auffindung der Herkunft. Hauser sei ungarischer Magnat, da sei sich der Adelige ganz sicher. Doch die Reise, die Kaspar Hauser unter dem Decknamen Karl Heinlein mit Baron von Tucher unternimmt, bleibt völlig ergebnislos! 

Doch Lord Stanhope gelingt es immer mehr, einen Keil zwischen Kaspar Hauser und seinen wichtigen Nürnberger Gönnern zu treiben, allen voran von Tucher, Bürgermeister Binder und Lehrer Daumer. So wagt Tucher im November 1831, Stanhope zu konfrontieren. Seine Forderung lautet, dass der Lord von seinem Einfluss abzulassen oder aber ganz die 

Verantwortung für den Findling zu übernehmen habe. Letzteres gibt der Lord vor und wird auch offiziell zu Kaspars Pflegevater bestimmt. Er führt ihn sogleich weg von Nürnberg und bringt ihn nach Ansbach. Dort lebt zwar der andere gewichtige Mentor, Präsident Feuerbach, doch Stanhope sucht geradezu dessen Nähe auf, um somit, weiterhin unerkannt, unmittelbar in Kontakt zu dessen Forschung nach Hausers Herkunft stehen zu können. Darüber hinaus findet er in Lehrer Meyer, bei dem Kaspar wohnt und Unterricht erhält, einen willfährigen Helfer für seine Machenschaften. Meyer wird hierfür mit Geldern aus Stanhopes Hand bezahlt. 

Dieser nun in Ansbach lebende Kaspar ist längstens nicht mehr jenes „Wolfskind“, für das er einmal gehalten wurde. Viele seiner außerordentlichen Fähigkeiten haben mit der Zeit abgenommen, er assimiliert sich Schritt für Schritt der Gesellschaft. Doch eine Frage wird immer lauter in ihm. 

Die Frage nach dem: Wer bin ich, woher komme ich, wohin gehe ich? 

Tagsüber arbeitet er als Aktenkopierer auf dem Appellationsgericht, abends ist er oft zu Gast bei Regierungspräsident von Stichaner, der zum Tanze lädt. Und Kaspar Hauser tanzt gerne! 

OKTOBER 1832

Ab Oktober 1832 erhält „Das Kind Europas“ Religionsunterricht bei Pfarrer Heinrich Fuhrmann. Bis zu acht Stunden wöchentlich bereitet der Geistliche Hauser vor auf seine Einzelkonfirmation im Mai 1833 in der Schwanenritterkapelle zu Ansbach. Diese Begegnung prägt Kaspar tief. Fuhrmann berichtet, wie sein Schüler in ein nicht zu stillendes Weinen ausbricht, als er von der Passion Christi hört. 

Die Gabe des Mitgefühls, der Empathie, ist bei Hauser sehr ausgeprägt. Nicht nur, dass er keinen Wurm, keine Fliege töten kann, sondern er fühlt alles als belebt und somit auch dem Schmerz ausgesetzt. Selbst bezüglich des in Holz geschnitzten Gekreuzigten sagt er, man müsse den Mann doch abnehmen, es tue ihm doch weh. Und an seinen Gefängniswärter all der Jahre denkt er daher ungerne zurück, weil er sich dann das Leid vorstellen müsse, welches der Wärter gefühlt haben muss, dieses Verbrechen zu begehen! Die Konfirmation Hausers, in seinem vermutlich 21. Lebensjahr, ist dann das wohl lichteste Ereignis seines kurzen Lebens.   

Doch kurz darauf bricht erneut die Gefahr ein. Der große Jurist Feuerbach stirbt plötzlich unter qualvollen Schmerzen bei einem Ausflug nach Frankfurt. Er schreibt noch mit letzter Kraft auf einen Zettel „man habe ihm etwas gegeben“. Er ist sich sicher, vergiftet worden zu sein. Was liegt vor? Im Jahre 1832 hat er sein wichtiges Buch zu dem Findling veröffentlicht.  

Sein Titel: „Kaspar Hauser oder Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen“.   

Dieses Werk ist bis heute wichtigste Grundlage jeglicher Kaspar-Hauser-Forschung. Hierin hält sich Feuerbach aber nahezu völlig zurück was die politische Dimension des Verbrechens um Kaspar Hauser angeht. Er weiß, dass dieses Thema zu prekär ist. Seine Forschung diesbezüglich hält er recht verborgen und sendet sie nur in einem „Geheimen Memoire“ an die Königinwitwe Caroline von München. Hier wagt er zum ersten Male, vorsichtig seine als „Erbprinzentheorie“ bekannt gewordene These zu Papier zu bringen. Doch diese Schrift ist nicht geheim genug. Stanhope ist es, der durch sein kluges Taktieren das Vertrauen des Juristen für sich gewonnen hat und somit weiß um dessen Fährte. Der Jurist ist nun also schlichtweg politisch zu gefährlich geworden. Alles spricht dafür, dass eine Vergiftung vorliegt, wenn es auch nicht wissenschaftlich bewiesen ist. Sein Grab in Frankfurt sollte diesbezüglich einmal exhumiert werden, um das mögliche Arsenik nachweisen zu können. Dies ist in letzter Instanz unterbunden worden. 

Nun vereinsamt Kaspar Hauser zunehmend in Ansbach. Sein Mentor Feuerbach ist gestorben, sein Pflegevater Stanhope schreibt nur noch aus der Ferne Briefe, begegnet aber nie wieder seinem ihm anvertrauten Zögling. Daher nimmt sich Pfarrer Fuhrmann erneut Kaspars an und wird somit zum wichtigsten väterlichen Freund und Zeugen der letzten Lebenszeit. 

SOMMER 1833

Im Sommer 1833 trifft Hauser auf dem Nürnberger Nationalfest gar den Bayerischen König und hat eine lange Unterredung mit ihm. Er bittet den Souverän, verlautbaren zu lassen, dass den in das Verbrechen gegen ihn beteiligten Tätern, keine Strafe zukommen solle. Der König verspricht ihm seine Hilfe. Doch bereits im Dezember schlagen die Dunkelmänner erneut zu. 

Im Wissen um Kaspars innigsten Wunsch, zu erfahren, wer seine Mutter sei, locken die Täter ihn in den Hofgarten. Am Morgen des 14. Dezembers ist Hauser ein weiteres Mal bei Pfarrer Fuhrmann und bekommt das Gleichnis des „Königlichen Hochzeitsmahles“ dargelegt. Dann bastelt er Pappschächtelchen aus Goldpapier, da auch er gerne etwas zu Weihnachten verschenken möchte. Danach tritt er in den schneebedeckten Hofgarten und wird dort von einem Mann erwartet. 

Nachdem dieser sich versichert, es tatsächlich mit Kaspar Hauser zu tun zu haben, überreicht er ihm einen Beutel. Hauser vermutet also, dass darin die Lösung seiner Identitätsfrage gegeben ist, Als er den Beutel öffnen will, erfährt er einen brachialen Dolchstoß, der mit solch einer Wucht getätigt wird, dass er, wie die Ärzte später erkennen werden, durch den Herzbeutel, durch den Lungenflügel, durch das Zwerchfell bis in die Leber reicht. Und doch rafft er sich auf und rennt zu seinem Erziehungsberechtigten, den Lehrer Meyer. Diese Strecke beträgt etwa 600 Schritte. 

Doch der Lehrer will ihm nicht Glauben schenken und geht mit dem Opfer erneut zu der Attentatsstelle. Tatsächlich wird dort der Beutel gefunden. Der Mörder, das versteht sich von selbst, ist weg.     

Nun beginnt ein weiterer Komplott. Meyer wird alles daran setzen, Kaspar Hauser einen Selbstmord zu unterstellen. In dem Beutel befindet sich nämlich ein Zettel, dessen erste Sätze lauten: 

„Hauser wird es euch ganz genau erzählen können, wie ich aussehe und wo her ich bin. Dem Hauser die Mühe zu ersparen, will ich es euch selber sagen, woher ich komme…“ 

Die Häme dieser Zeilen erinnert an den Auftauchbrief aus dem Jahre 1828. Aber mehr noch. Die Zeilen sind in Spiegelschrift geschrieben und wären so einfach für Kaspar Hauser gar nicht zu lesen gewesen. Eine Ablenkung, die dem Täter mehr Handlungsraum schenken sollte? Lehrer Meyer behauptet, Kaspar habe diese Zeilen sich selbst geschrieben und beweist dies anhand Hausers Hausaufgabenheft, in dem tatsächlich Spiegelschriftübungen vorliegen. 

Wiederum sind es Graphologen, die später beweisen werden, dass es sich bei dem Brief aus dem Beutel natürlich nicht um Hausers Schrift handelt. Ist aber eine Lüge mit Vehemenz einmal in die Welt gesetzt, so hält sie sich auch lange. Bis heute stellt man leichtfertig die Behauptung auf, Hauser sei ein Selbstmörder gewesen. Dabei werden am 14. Dezember klare Zeugenaussagen gemacht bezüglich eines möglichen Täters, doch die Polizei wird niemanden fassen!   

17. DEZEMBER 1833

Kaspar Hauer muss stundenlange Verhöre über sich ergehen lassen. Am 17. Dezember dann verschlechtert sich seine Situation zunehmend. Auf die Frage, ob er noch jemandem etwas zu verzeihen habe, antwortet er: „Warum denn, es hat mir doch niemand etwas getan!“ Meyer sieht darin einen Beweis des Selbstmordes, andere sehen darin eine verklärte Seele, bereits nicht mehr ganz von dieser Welt. „Das Ungeheuer war stärker“ ist ein anderer, markanter Satz, den er auf dem Sterbelager sagt. Seinen Pfarrer bittet er, ein Gebet für den Mörder zu sprechen. Am 17. Dezember, drei Tage nach dem Attentat, stirbt Hauser. Am 20. Dezember wird er unter größter Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Ansbacher Stadtfriedhof beigesetzt. Auf seinem Grabstein wird dann zu lesen sein: 

Hic jacet 
Casparus Hauser 
Aenigma sui temporis 
Ignota nativitas 
Occulta mors 

Es ist der Regierungspräsident von Stichaner, der diese kunstvoll verdichteten Worte setzt. Er erkennt den hier ruhenden Kaspar Hauser als Rätsel seiner Zeit, unbekannter Herkunft (Geburt), sowie geheimnisvollen Todes.   

Aber es ist mehr als das. Denn auch auf dem Gedenkstein im Hofgarten wird er das Wort „okkult“ wählen, gleich zweimal gar: 

Hic 
Occultus 
Occulto 
Occisus 
Est 

Die konventionelle Übersetzung sagt: Hier wurde ein Geheimnisvoller auf geheimnisvolle Weise getötet. Doch der Regierungspräsident scheint zu ahnen, welche Abgründe bei diesem Mord gegeben sind! 

Des Nachts werden gar dubiose Männer auf dem Friedhof gesehen. Grabräuber? Es hat zur Folge, dass es für einen gewissen Zeitraum bewacht wird. Damit ist das kurze Leben Kaspar Hausers „in der Welt“ zusammengefasst. 

Das 1715 vom heutigen Stadtteil Durlach aus als barocke Planstadt gegründete Karlsruhe war Haupt- und Residenzstadt des ehemaligen Landes Baden. Charakteristisch für den ursprünglichen Stadtplan sind die 32 ringsum vom Schloss in die Parkanlagen und den Hardtwald der Oberrheinebene ausstrahlenden Straßen. Nur das südliche Viertel wurde zentrumsnah bebaut; seinem fächerförmigen Grundriss verdankt Karlsruhe den Beinamen „Fächerstadt“.

Die Zeit danach ...

Doch was liegt vor dem Ereignis der Aussetzung? 
Und was ereignet sich von der Grablegung an bis heute? 

Aus dieser Gesamtschau ist ein Bild zu erkennen, das seines gleichen sucht und auch mit dem Lauf der Zeit nicht verblasst. Kaspar Hausers Wesen, sein Erscheinen in der Welt, sein gewaltsames Ende, all dies wirft viele Fragen auf! Die gewichtigste aber ist sicher die nach seiner Herkunft. So entwickeln sich seit 1828 bis heute eine Unzahl an Theorien und Spekulationen, teils sinnvoller, teils sinnloser Art. Die historisch wahrscheinlichste, wenn auch komplexeste These führt auf den bedeutsamen Juristen Anselm Ritter von Feuerbach (1774 – 1833) zurück und wird genannt die „Erbprinzentheorie“. Vieles spricht für sie, nichts spricht tatsächlich dagegen. Und die Aspekte, die dagegen zu sprechen scheinen, wollen dagegen sprechen und sprechen somit im Eigentlichen nicht dagegen, sondern dafür. Das gilt es zu verstehen!   

Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild:   

Baden 1806  

Durch Napoleon I. wird Baden 1806 zu einem Großherzogtum, regiert von Carl Friedrich (1728 – 1811) Aus seiner ersten Ehe stammen drei Söhne, aus seiner zweiten Ehe ebenfalls drei Söhne und eine Tochter. Die Thronfolge aber liegt nur bei seinen Söhnen aus erster Ehe. Im badischen Staatsvertrag wird es jedoch später dann den Passus geben: Sollte tatsächlich der Mannesstamm der Zähringer (erste Linie) aussterben, dann ja würde die Thronfolge übergehen dürfen auf die zweite Linie (Hochberg). Da Carl Friedrichs ältester Sohn früh stirbt, geht die Thronfolge 1811 direkt an seinen Enkel Karl (1786-1818). Bei dessen Mutter Amalie spricht der französische Kaiser vor und fordert sie auf, ihren einzigen Sohn mit Napoleons Großnichte Stephanie de Beauharnais zu verehelichen. Denn es ist Napoleons Heiratspolitik, die ihm auf recht einfache Weise enormen Gebietszuwachs schenkt. Erbost muss Karls Mutter gesagt haben: „Wenn es denn wenigstens Ihre Tochter wäre“, worauf Napoleon Stephanie adoptiert. So muss 1806 der Hochzeit eingewilligt werden. Brisant nun ist, dass jeder Junge aus dieser Verbindung nicht nur badischer Thronanwärter ist, sondern zugleich auch ein Napoleonide. Dies ist politisch hochprekär. 

Als nun am 29.September 1812 dem Paar ein gesunder Junge geboren wird, entfaltet sich ein Politikum komplexester Art auf vier Ebenen. 

Erste Ebene 

In der Zähringer-Linie selbst wird gegen dieses Kind gearbeitet, da Ludwig (1763-1830), Carl Friedrichs dritter Sohn und somit Karls Onkel, selbst auf den Thron gelangen will. Darüber hinaus drängt Amalie ihren Sohn Karl, sich von der ungeliebten Französin scheiden zu lassen. 

Zweite Ebene

Carl Friedrichs zweite Frau, Gräfin Hochberg (1768-1820) hat ein unbedingtes Streben, ihre eigenen, zu Beginn nicht sukzessionsberechtigten Söhne auf den Thron zu bringen. Dies ist aber nur möglich, sollten alle männlichen Thronanwärter der Zähringer-Linie aussterben. Und es sterben tatsächlich alle in recht schneller Folge weg, ohne dass damit gesagt werden darf, dass sie alle beseitigt wurden! 

Und auch der 1812 geborene Erbprinz „stirbt“ plötzlich, obwohl er als völlig gesund gilt. Es ist jedoch nachzuweisen, dass die Mutter Stephanie sowie die Säugamme das sterbende Kind nicht mehr sehen dürfen. Denn sie hätten erkannt, dass das sterbende Kind ein anderes ist. Die spätere Kaspar-Hauser-Forschung entdeckt, dass aus der Familie Blochmann, bedienstet bei der Gräfin Hochberg, ein etwa gleichaltriges Kind entfernt und anstelle des Erbprinzen in die Wiege gelegt wird, um dort zu sterben. Der wahre Thronanwärter aber wird in der Blochmann-Familie verdeckt gehalten, um als lebende Repressalie Gräfin Hochberg Macht zu verleihen. Ab 1830 ist sie tatsächlich am Ziel ihrer Wünsche und ihr ältester Sohn besteigt den Thron. Sie selbst nur ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit 10 Jahren tot. 

Dritte Ebene

Durch Napoleon verliert Bayern die Kurpfalz an Baden. Daraufhin denkt Bayern an einen militärischen Einsatz zur Rückgewinnung dieses so wichtigen Landes. Doch dieses kriegerische Vorgehen ist nicht notwendig, da wiederum im Badischen Staatsvertrag zu lesen ist, dass die Kurpfalz an Bayern zurückzufallen habe, so der Mannesstamm der Zähringer aussterbe! Somit ist auch hier ein hohes Motiv gegeben, sich womöglich des Erbprinzen zu bemächtigen. 

Vierte Ebene

Weit über die dynastische Frage hinausgehend ist es das europäische Motiv, das durch die legale Verwandtschaft des Erbprinzen mit Napoleon gegeben ist. Somit erklärt sich auch die wichtige Rolle des Engländers Stanhope, der nicht nur für das Hochberg-Haus arbeitet, sondern eben auch mit Fürst Metternich in Kontakt steht, der als gewichtiger politischer Gegner Napoleons zu sehen ist. 

Die Frage der „Erbprinzentheorie“ also lautet: Ist der 1828 in Nürnberg auftauchende Kaspar Hauser gleich jenem Erbprinzen, der 1812 für tot erklärt wurde, in Wahrheit aber aus politischen Gründen über Jahre zurückgehalten war? 

So es so ist, können wir Feuerbach verstehen, der den Fall Kaspar Hauser nennt „den allermerkwürdigsten aller merkwürdigen Kriminalprozesse, dergleichen in Jahrtausenden vielleicht noch nicht ein einziges Mal vorgekommen.“ Und dies schreibt er bereits drei Jahre vor der Ermordung Kaspar Hausers! 

1835

1835, zwei Jahre nach Hausers gewaltsamen Tod, beginnt Stanhope erst sein wahres Gesicht zu zeigen und schreibt, vom badischen Hause finanziert, Schmähschriften gegen die Integrität Kaspars. Später wird die Kaspar-Hauser-Forschung ihn als einen politischen Agenten erkennen, dessen Handeln daher so komplex ist, da er für unterschiedliche Auftraggeber wirkt. Von nun an stellt sich eine seltsame Periodizität ein, die über die Jahrhunderte nicht abreißt: Maßnahmen gegen das „Kind Europas“ werden durch Zeugen richtig gestellt, respektive Richtigstellungen zu Kaspar werden konterkariert durch Verleumdungen. Das Jahr 1873 ist hierfür beispielhaft: Dr. Julius Meyer, Sohn des Lehrer Meyer, der Kaspar des Selbstmordes bezichtigt hat, schreibt ein Werk namens: „Authentische Mitteilungen über Kaspar Hauser“, indem er, um den eigenen Vater zu rehabilitieren, Hauser ein weiteres Mal zu tiefst diskreditiert. Den Mut dazu findet er, da er vom Tode Daumers hört, dem ersten Lehrer Kaspars. Doch es war Daumers Bruder, der verstorben war. So rafft sich der 73 jährige, fast erblindete Lehrer nochmals auf, um nochmals in seinem Werk für die Wahrhaftigkeit Hausers einzustehen. 

BEGINN 20. JAHRHUNDERT

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts hält Kaspar Hauser dann immer weiter Einzug in das kollektive Bewusstsein. Nachdem Schopenhauer sich bereits als der Kaspar Hauser unter den Philosophen bezeichnet hat, sind es nun die Dichter, die sich des Kindes von Europa annehmen. Auch Georg Trakl sieht sich selbst als Kaspar Hauser, Kurt Tucholsky wählt den Namen als ein Pseudonym. 1908 verfasst der erfolgreiche Autor Jakob Wassermann seinen berühmten Roman: „Kaspar Hauser oder die Trägheit des Herzens“. Er wird wichtige Inspirationsquelle für sehr viele Menschen. Der Findling wird zum Synonym der „in der Welt verlorenen Seele“ (Sophie Hoechstetter). Die Stimmung der aufziehenden Weltkriege, die auf ihre Weise nach der Identität des Menschen, nach seinem Woher und Wohin fragen, spiegelt sich wieder in Kaspar Hausers Weltverlorenheit und seinem Ausgesetzt-Sein. 1950 wird der Psychologe Alexander Mitscherlich dann den Begriff prägen des Kaspar-Hauser –Komplexes, dem er eine kulturprägende Dimension zuspricht wie in Zeiten davor der Ödipus-Komplex innehatte. Er spricht von der immer größeren Isolation des Individuums, dem Abgetrennt-Sein, der Deprivation. Bereits in unserer Zeit heute zeigen sich rasant wachsende, neue Krankheitsbilder, die diesem Komplex, diesem Syndrom entsprechen.

Das 20. Jahrhundert ist aber auch die Zeit der großen Kaspar-Hauser-Forscher, allen voran Dr. Hermann Pies, sowie Fritz Klee, Adolf Bartning, Edmond Bapst, um nur einige zu nennen. Unzählige Akten und Dokumente bilden ein immer schlüssigeres Bild, welches die Forschung Feuerbachs unterstreicht. So werden beispielsweise Kaspar Hausers Verließ in Pilsach in der Oberpfalz gefunden sowie das Ereignis um den Kindsaustausch 1812 in Karlsruhe entdeckt. 

VERFILMUNG

Kaspar Hauser erhält auch Einzug in die Filmwelt. Schon in den 50er Jahren gibt es einen kurzen Spielfilm über ihn in den USA, sowie in den 60er Jahren einen dreiteiligen Fernsehfilm von R.A. Stemmle in Deutschland. Sehr erfolgreich wird dann im Jahre 1973 Werner Herzogs Film „Jeder für sich und Gott gegen alle“, zweimal gar in Cannes prämiert. Der Film legt seinen Schwerpunkt ganz auf das Individuum Kaspar Hauser, das in all seiner Tragik wie auch Schönheit in Diskrepanz steht zur Gesellschaft. 1993 folgt dann das Werk von Peter Sehr: „Kaspar Hauser - Der Mensch, der Mythos, das Verbrechen“. Der Regisseur legt ein wie noch wie zuvor gegebenes Gewicht auf die Frage nach der Herkunft und somit auf die „Erbprinzentheorie“. Und da der Film sehr erfolgreich ist, ist die Badische Abstammung Kaspar Hausers in aller Munde. 

1996

Nun ist die Zeit gekommen, dass die Genwissenschaft ihren Einzug hält zur Klärung von Identitätsfragen. Und so kommt es 1996 zu einer Untersuchung, federführend durch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ lanciert. Es wird das Blut, das sich auf den Beinkleidern Kaspar Hausers befindet, die er am Attentatstag trug, genwissenschaftlich analysiert und verglichen mit weiblichen Nachfahren der mutmaßlichen Mutter, Stephanie de Beauharnais. So ein Verwandtschaftsverhältnis vorliegen sollte, sprich Kaspar Hauser der Erbprinz ist, so müsste der Vergleich positiv ausfallen im Sinne einer Deckungsgleichheit beider untersuchter Proben. Dies der damalige Stand der Wissenschaft! Doch es zeigen sich eindeutige Abweichungen in den sogenannten Basen-Paaren, sodass eine Verwandtschaft ausgeschlossen werden kann. Uns so wird lauthals das Ergebnis postuliert, Kaspar Hauser sei nicht der Erbprinz. Diese Aussage aber ist wissenschaftlich nicht tragbar. Der richtige Satz hätte lauten müssen: das untersuchte Material steht in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu dem Hause Baden. Es ist aber eben nicht zu beweisen, dass das untersuchte Blut von Kaspar Hauser stammt, und daher eine reine Mutmaßung. Und nicht nur das! Man liefert gleichsam beiläufig die Lösung des „Jahrhunderträtsels“: Kaspar Hauser sei ein aus Tirol stammender Bankert, der an einer nachweißlichen Form der Epilepsie litt, die es damals in jener Region gegeben habe. Hat hier wieder jenes „Gesetz der Periodizität“ zugeschlagen, nachdem durch den Film von 1993 die Notwendigkeit bestand, Kaspar Hauser in der Öffentlichkeit erneut zu schwächen? 

2001

Bereits 2001 erfolgt eine weitere Genanalyse. Sie untersucht sechs Proben aus zwei unterschiedlichen Quellen, die Kaspar Hauser zugeordnet werden (dem Ansbacher Kaspar-Hauser-Museum sowie dem Nachlass der Familie Feuerbach), so zum Beispiel Haare und Schweiß. Diese sechs Proben stimmen nun in ihrem Gencode untereinander völlig überein. Es darf nun also gesagt werden, dass man gegen 100% Sicherheit von Kaspar-Hausers Gencode sprechen kann. Doch dieser Code stimmt eindeutig nicht überein mit dem 1996 verwendeten, mutmaßlichen Blut Kaspar Hausers. Das heißt aber folglich, dass die Analyse von 1996 hinfällig ist. Drittens wird erkannt, wiederum anhand eines Vergleiches mit weiblichen Nachfahren der Stephanie de Beauharnais, dass eine hohe Deckungsgleichheit beider Proben besteht, wenn auch keine völlige Übereinstimmung. Dies ist nun ein interessantes Ergebnis, das den leitenden Wissenschaftler, Prof. Dr. Brinkmann, zu der Aussage kommen lässt, man könne nicht sagen, dass Kaspar Hauser der Erbprinz ist, noch könne man sagen, dass er es nicht ist! 

Das Wesen des Findlings scheint also mehr in der Frage, denn in der Antwort zu liegen! Und gerade darin findet sich seine urbildliche Bedeutung für unsere Zeit: 

In Kaspar Hauser zeigt sich die Frage nach der Identität des Menschen 
In Kaspar Hauser zeigt sich die in Frage gestellte Identität des Menschen 

Er selbst aber gibt Antwort, auf seine ganz eigene, unschuldig-kindliche Art. So schreibt er einmal folgendes, einfaches Gedicht: 

Zufriedenheit ist die größte Wundertäterin.
Sie verwandelt Wasser in Wein, Sandkörner in Perlen,
Regentropfen in Balsam, die Armut in Reichtum,
das Kleinste ins Größte,
das Gemeinste ins Edelste,
die Erde in ein Paradies. 

Schön ist das Herz, das in all seinen Regungen
mit sich selbst im reinsten Einklang bleibt,
schön ist das Leben, dessen Taten untereinander
vollkommen übereinstimmen. 

Kaspar Hauser

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